Verwobene Geschichten

Ungleiche Machtbeziehungen verschiedener Regionen haben ihren Ursprung im Kolonialismus und kennzeichnen bis heute das globale Wirtschaftssystem. Geschichten von Wohlstand und Wachstum in einem kleinen Teil der Welt können deswegen nicht ohne Verweis auf Ausbeutung von Mensch und Natur im Großteil der Welt erzählt werden.

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Großbritannien – Indien

Baumwolle spielt für die Entstehung, Entwicklung und Verflechtung von Kolonialismus und Kapitalismus eine tragende Rolle. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde Baumwolle zum wichtigsten Handelsgut der Welt.

Ab 1865 war Indien der wichtigste Standort für die globale Baumwollgewinnung. Die britische Kolonialmacht eignete sich gewaltsam Land an und Plantagen und zwang die lokale Bevölkerung unter menschenverachtenden Bedingungen zur Arbeit. Die Weiterverarbeitung des Rohstoffes fand mit Verweis auf die technische Überlegenheit in den britischen Fabriken statt. Auch wenn die koloniale Herrschaft beendet wurde, besteht die Ungleichheit fort. Die globalen Märkte sind bis heute von asymmetrischen Handels- und Machtbeziehungen zwischen ehemals kolonisierten und kolonisierenden Ländern durchzogen.

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USA – Haiti

In den großen Fabriken der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince wird vornehmlich Kleidung für den US-amerikanischen Markt produziert, etwa für Unternehmen wie Walmart.

Während die neuesten Trends für die Bevölkerung Haitis meist unbezahlbar und deswegen lediglich für den Export bestimmt sind, werden auf den lokalen Märkten Unmengen gebrauchter und aussortierter T-Shirts, Hosen oder Röcke angeboten. Die "Pèpè" wie die gebrauchten Kleidungsstücke in Haiti auch genannt werden, sind meist Spenden, welche selbst keine Verwendung mehr in den amerikanischen Second-Hand-Läden gefunden haben. So finden sie den Weg zurück an ihren Produktionsort.

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Frankreich – Mexiko

Ausgefallene Schnitte und Muster – doch die Ideen für die neuesten Trends in der Mode stammen häufig nicht von den Designer*innen der Modehäuser selbst.

Die französische Designerin Isabel Marant und das Luxus-Textilunternehmen Luis Vuitton sahen sich 2019 mit dem Vorwurf konfrontiert, aus Mexiko stammende indigene Muster für ihre Kollektionen entfremdet zu haben. Man spricht hierbei von kultureller Aneignung: Menschen aus privilegierten Gesellschaften eignen sich kulturelles Gut marginalisierter Gruppen an. Während die großen Modeunternehmen damit einen Millionenumsatz machen, werden indigene Gemeinschaften ihres kollektiven, kulturellen Erbes beraubt. Die indigenen Gemeinschaften in Mexiko kämpfen gegen die Entfremdung ihres kulturellen Eigentums und für ihre Rechte.

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Deutschland – Äthiopien:

Positive Impulse für die Wirtschaft, negative Auswirkung für Mensch und Natur. Akteure der deutschen Textilindustrie entdecken den Markt in Äthiopien für sich – mit drastischen Folgen.

In den letzten Jahren hat Äthiopien als Produktionsstandort für Mode an Attraktivität gewonnen. Das Land gehört zu den zwanzig ärmsten weltweit und ist auf dem besten Weg, Zentrum für die Textilproduktion in Afrika zu werden. Das Bündnis für nachhaltige Textilien, welches der deutsche Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller 2014 zur Verbesserung der Bedingungen in der weltweiten Textilproduktion ins Leben rief, wollte den dortigen Aufbau des Bekleidungssektors von Anfang an nachhaltig mitgestalten. Bei einem Besuch in Äthiopien im Jahr 2017 schwärmte Müller noch von den vielen positiven Impulsen, welche das Bündnis auf die Branche hat. Im Jahr 2019 wurden dann aber eklatante Arbeitsrechtsverletzungen bei der Produktion durch Mitglieder des Textilbündnisses bekannt: Der Lohn der Arbeiter*innen in den Fabriken betrug gerade einmal 23 Euro im Monat – so wenig wie in kaum einem anderen Land. Durch ihr Engagement hat die Bundesregierung dazu beigetragen, einen neuen Ort der Ausbeutung zu schaffen.

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